19.12.2010 – 29.12.2010
Fast alle fixen Brücken am ICW haben eine Mindestdurchfahrtshöhe von 65ft (1Fuß=30,5cm) bei Hochwasser. Laut Werftangabe ist unser Mast 57,6ft hoch und wenn wir jetzt noch unsere UKW-Antenne berücksichtigen, sollten wir eigentlich bei 61ft „durchkommen“. Dass dem nicht so ist, hat uns unsere erste Brücke in Atlantic City deutlich vermittelt. Also haben wir uns 62ft als Mindestmaß gesetzt.
Was einfach gesagt, bedeutet, bei 65ft sind wir fast locker, bei 63ft wissen wir, dass wir ganz leicht durchkommen, aber bei 62ft klopft mir das Herz bis zum Hals. Schließlich kann man so ein „unter der Brücke durchfahren“ ja nicht probieren – und die Durchfahrtshöhe von unten abzuschätzen geht gar nicht.
Da gibt es nur geht oder geht nicht. Geht nicht ist dann gleichbedeutend mit „Antenne verbogen oder gebrochen“ oder schlimmer noch „Windex beschädigt“ oder ganz schlecht „Toplicht“ demontiert – an den Mast wollen wir erst gar nicht denken.
Zusätzlich zu meist starken Strömungen in Brückennähe beobachten wir natürlich auch den jeweiligen Tidenstand mit Argusaugen. Besondere Spannung herrscht auch dann, wenn an der Brücke selbst keine Maßtabellen angebracht sind – oder sich diese nur auf der anderen Seite befinden.
Auch wenn wir jetzt nach 1064 Meilen ICW schon fast „alte Hasen“ sind, hat das freie Wasser des Atlantiks durchaus seine Reize. Und da es zwischen Fort Lauderdale und Miami eine fixe Brücke mit nur 57ft Höhe gibt, müssen wir wiedermal raus.
Aber wir sind gar nicht traurig, als wir in Fort Lauderdale den ICW verlassen und uns von unserem neuen Parasailor nach Miami ziehen lassen.
Der Wind hat die richtige Richtung und mein Skipper freut sich ja schon seit langem auf die Gelegenheit unseren weiß-blauen Schmetterlingsflügel ausgebreitet zu sehen. Und wirklich, der hält was er verspricht – trotz kurzzeitig bis zu 27kn und halben Wind steuert unser Autopilot ganz brav und mein Skipper fühlt sich fast ein wenig arbeitslos.
Ein wenig wundert es uns schon, dass wir den schönen, großen ,breiten Kanal bei der Einfahrt von Miami nur mit ein paar dort vertäuten Kreuzfahrtschiffen teilen müssen, allerdings werden wir schon in der ersten Hälfte von einem Polizeiboot mit Blaulicht gestoppt. Hier sei die Durchfahrt verboten – wir müssen den Nebenkanal nehmen, dort wo auch die großen Frachter fahren – den Lieferanteneingang sozusagen.
Dabei bekommen wir dann auch gleich noch einen Rüffel ab – warum wir uns am Funk nicht gemeldet haben. Wie sollen wir den lieben Menschen von der Coast Guard vermitteln, dass wir nicht wussten, dass die für uns zu 88 Prozent unverständlichen Quakstimmen, welche ständig aus unserem Funkgerät kommen, diesmal uns angegangen sind? Das versuchen wir nicht einmal, sondern zeigen zerknirschte Gesichter und kehren um.
Und warum das ganze Theater? Die Coast Guard von Miami schätzt alle ankommenden Schiffe als potentiell gefährlich ein und möchte die Passagiere der Kreuzfahrtschiffe vor der Möglichkeit eines Anschlages schützen. Na das fängt ja gut an.
Doch auch der zweite Kanal meint es nicht gut mit uns: erst lassen wir ein großes Cargoschiff vorfahren – wir wollen ja nicht im Weg sein und er ist eindeutig der Stärkere – nur um dann an diesem, mittlerweile von zwei Schleppern in die Mitte genommenen, wieder vorbeizufahren zu müssen.
Wirklich lustig wird es dann allerdings als wir – durch die Umleitung bedingt – sehr nahe das Heck des ersten Kreuzfahrtschiffes passieren. Für böse Menschen würden sich da ungeahnte Möglichkeiten ergeben …
Wieder einmal ist uns die Vorgangsweise der Menschen in diesem Land nicht ganz verständlich und irgendwie fällt mir da ein ganz bekannter Spruch von Asterix ein.
Doch als dann in einer netten kleinen Bucht, die von wunderschönen Häusern ein gekränzt ist, unser Anker fällt und wir unseren verdienten Manöverschluck nehmen, können wir darüber nur mehr lachen.
Für den nächsten Tag ist eine Besichtigungstour mit anschließendem Einkauf geplant. Also packen wir Räder und Einkaufstaschen ins Dinghi. Als wir dieses dann an der Rückseite einer Wäscherei einsam zurücklassen beschleicht uns doch ein seltsames Gefühl und wir hoffen es bei unserer Rückkehr auch noch dort zu finden.
Zuerst kundschaften wir die nähere Umgebung ein wenig aus und fahren dann zur Miami-Dade Metrorail einer Hochbahn die kostenfrei Besucher und Einwohner ins und um das Stadtzentrum führt.
Da wir hier nur völlig verwaiste Radständer sehen, finden wir es klüger unsere Räder in der Bahn mit uns zu führen.
Als wir dann durch die Stadt radeln, sind wir wirklich froh unsere Drahteseln benutzen zu können.
So kommen wir bequem von der Stadt auch gleich am Strand. Hier weist uns ein Schild darauf hin, dass unter anderem Alkohol, Haustiere und auch das Tragen von Waffen verboten ist.
Miami gilt als die drittärmste Stadt der Vereinigten Staaten und war 2009 auch auf der Forbes-Liste der gefährlichsten Städte der Vereinigten Staaten auf Platz drei. Doch wirklich unsicher fühlen wir uns hier nicht.
Wir genießen unsere Radtour, fahren von Miami wieder zurück nach Miami Beach und stürzen uns im Supermarkt in einen wahren Kaufrausch. Schließlich müssen wir beginnen uns für circa zwei Monate mit Proviant einzudecken. Danach sind wir sehr erleichtert, als wir mit all unseren Schätzen beladen, in der Dunkelheit das Dinghi fröhlich schaukelnd vorfinden.
Wir wollen uns noch eine Pause in einer gut geschützten Bucht im Naturschutzgebiet Key Biscayne mit dem bezeichnenden Namen „no name habour“ in der Nähe von Miami gönnen. Doch dort sind außer uns noch mindestens 30 andere Boote vor Anker und so verlassen wir die Kuschelrunde bereits am nächsten Tag.
Türkisblaues Wasser und eine Tiefe von max. 3 Meter erinnert uns an die Bahamas – nur ist es nicht ganz so warm. Obwohl Edi am 24.Dezember bei einer Wassertemperatur von knapp 20 Grad das erste Mal seit Monaten ins Wasser geht. Allerdings nicht ganz freiwillig: er kontrolliert und tauscht die Opferanoden unserer Schrauben, die wieder nach nur drei Monaten völlig verbraucht sind.
Danach hilft ihm heißen Tee mit Rum beim aufwärmen. Die Stadt Marathon war unser Wunschziel für den 24.Dezember und wir sind froh hier zwischen ungefähr 200 anderen Booten noch eine freie Boje zu bekommen.
Viele diese Segel- und Motorboote sind bewohnt und es herrscht ein reges Kommen und Gehen am Dinghisteg – dort werden sogar die festen Dinghis von den „Gummiwurschteln“ räumlich getrennt.
Zwei Tage verbringen wir am Schiff – das Wetter ist zum vergessen – kalt, windig und regnerisch. Am dritten Tag wollen wir dann allerdings feststellen, was so viele Boote hierherzieht.
Nach unserem Landausflug mit den Rädern sind wir dann zur Überzeugung gekommen, dass es nur der günstige und sichere Liegeplatz sein kann. Weder die Stadt noch die nähere Umgebung kann – unserer Meinung nach – irgendjemanden dazu veranlassen hier mehrere Monate zu liegen.
Aber vielleicht ist es auch das Bedürfnis unter Gleichgesinnten zu sein. Uns jedenfalls hält hier nichts und so verlassen wir die Stadt nach vier Tagen wieder. Silvester wollen wir in Key West feiern.