Hier wollen wir ein wenig mehr von Land und Leuten berichten – wie wir sie erleben.
Seit Beginn unserer Reise im August 2009, haben wir uns noch nie mehr als ein paar Wochen an einem Ort aufgehalten. In Neuseeland ändert sich das – mindestens fünf Monate müssen/können/dürfen wir hier verbringen, ehe die Cyklonsaison uns wieder in die Südsee lässt.
So sind wir natürlich gespannt und auch ein wenig bange – wie wir uns „auf der anderen Seite der Welt“ wohl fühlen werden.
Unser erster Eindruck: sehr europäisch wirkt hier alles. Von den Maori – den Nachkommen der ersten Einwanderer polynesischen Ursprungs, die schon im 13. Jahrhundert diese Inseln bevölkerten – sehen und hören wir nur wenig.
Zwar erblickte der niederländische Seefahrer Abel Tasman 1642 Neuseeland als erster Europäer, die Ureinwohner waren jedoch ihm und seiner Mannschaft nicht freundlich gesinnt und so kamen sie nicht einmal dazu ihre Füße auf neuseeländischen Boden zu setzen.
Erst 1769 gelang James Cook eine freundlichere Annäherung mit den Maori und er erhielt mit seinen Wissenschaftlern die Möglichkeit die Inseln zu kartographisieren und seine Bewohner so wie die Flora und Faune zu erkunden.
Wir wandeln hier ein wenig in seinen Fußstapfen und fühlen uns abwechselnd wie „zu Hause“ und dann wieder ganz fremd.
Die teilweise hügelige Landschaft mit ihren Weideflächen voller Kühe und Schafe, die Weinreben, welche in Reih’ und Glied ihre Blätter der Sonne entgegenstrecken, die schneebedeckten Gipfel der hohen schroffen Bergwelt – all das lässt heimatliche Gefühle aufkommen.
Wenn wir allerdings durch die Regenwälder voller Farne und Palmen wandern, die teilweise recht rauen Küstengegenden erkunden, wo wir Pinguine, Seelöwen und Albatrosse beobachten oder zwischen rauchenden, blubbernden und nach Schwefel riechenden Erdspalten spazieren – dann wissen wir, dass unsere Heimat „am anderen Ende der Welt“ liegt.
Die Menschen, ob hell oder dunkelhäutig, sind alle sehr freundlich und hilfsbereit. Ein Stadtplan in der Hand und ein suchender Gesichtsausdruck veranlasst jeden vorbeikommenden Fußgänger zu der Frage: „ Kann ich helfen“?
Beim Einkaufen wird jeder Kunde, der nicht fündig wird, in ein Geschäft in der Nähe verwiesen, das möglicherweise das Gesuchte lagernd hat.
Sogar in der Autowerkstatt hat sich der Mechaniker nach Dienstschluss unter unser Auto gelegt, Testgeräte angeschlossen und, nachdem er das Problem lokalisiert hatte, uns mit dem Vermerk, dass sein Arbeitsplan leider voll ist, in eine andere Werkstätte verwiesen, bei der er uns dann noch telefonisch avisiert und sein Ergebnis weitergegeben hat.
Autofahren in Neuseeland ist ohnehin eine Sache für sich. Meist gibt es gut ausgebaute zweispurige Straßen, die in regelmäßigen Abständen Überholspuren haben. Da reihen sich dann ausnahmslos alle Autofahrer, die nicht überholen, links ein. LKW nutzen kurzzeitig auch den Pannenstreifen um den PKW ein Überholen zu erleichtern bzw. zu ermöglichen.
Immer wieder haben wir es auch erlebt, dass Autos, die langsamer fahren möchten, „links ranfahren“ um den Nachkommenden Vorfahrt zu geben.
So rücksichtsvoll und freundlich sich die Autofahrer zueinander verhalten, Fußgänger sind gelinde gesagt „arme Schweine“. Kein motorisiertes Fahrzeug kommt auch nur auf die Idee für einen am Straßenrand stehenden Fußgänger das Tempo zu verlangsamen oder gar zu halten. Manchmal habe ich den Eindruck, dass alle Menschen die nicht in einem Auto sitzen, sondern sich auf zwei Beinen fortbewegen, so etwas Ähnliches wie eine Tarnkappe tragen und einfach nicht zu sehen sind.
Fußgänger gibt es ohnehin nur in den Städten, „am Land“ geht niemand zu Fuß oder ist mit dem Fahrrad unterwegs. Es gibt allerdings auch keinerlei Veranlassung dazu. Es existieren keine holprigen Feldwege, moosbewachsenen Waldpfade oder einfache Spazierwege zwischen den Grundstücken. Nahtlos reihen sich die Zäune aneinander.
Spazier- oder Wanderwege sind nur in Nationalparks zu finden. Der Rest des Landes, egal ob Weide, Wiese oder Wald – ist Privatland und von Zäunen umgrenzt. Große Landesteile, meist bergige oder bewaldete, werden von einer staatlichen Organisation, dem Department of Conservation (DOC) als Nationalparks verwaltet. Diese Gebiete sollen ausschließlich der Erholung der Menschen dienen, einzig touristische Nutzung – natürlich nur im Rahmen des Naturschutzes – ist zulässig.
Nach dem Verfall der Preise am Agrarsektor und dem allgemeinen wirtschaftlichen Rezession in den letzten Jahren, bleibt den Neuseeländern nur der Tourismus als einzig wachsender Wirtschaftszweig. Das Land ist auf der ganzen Welt bei jung und alt sehr beliebt und Studierende, Schaffende und Pensionisten kommen aus Europa, Amerika und dem fernen Osten das „neue Land“ zu bereisen. Kaum jemand denkt dabei daran hier einen Hotel- oder Strandurlaub hier zu verbringen, sondern alle sind bemüht, die Vielfalt der Natur zu bewundern.
Den geschäftstüchtigen Neuseeländern gelingt es immer wieder auch durch außergewöhnliche und/oder kostenintensive Ideen an die Brieftasche der Touristen heran zu kommen, sei es durch Bungie-Jumping, Helikopterflüge oder „Skywalk“ am Aussichtsturm.
Dazu gehören auch der Bau von lange unterirdische Gängen, und Hütten oder Häuser mit Schießscharten ähnlichen Öffnungen um die interessierten Besucher möglichst nahe an die Lebensräume und Nester von Pinguin oder Albatros heranzuführen.
Wer gerne in Gesellschaft wandert, kann auch eine geführte Gletschertour buchen. Ausrüstung wie Jacken, Hosen, Stiefel und Steigeisen ist inklusive und die restlichen mindestens 20 Teilnehmer der Gruppe lassen kein Gefühl der Einsamkeit aufkommen. Abgesehen davon, dass diese kleine Gemeinschaft sich das Ziel mit noch 10-20 anderen Gruppen teilt.
Außerdem erleben wir die Neuseeländer preisbewusst und weniger bereit für teure Markennamen zu zahlen, als dies bei uns üblich ist. So werden in Kfz-Fachwerkstätten durchaus auch gebrauchte Teile angeboten, die funktionieren und weit billiger sind. Auch mit gebrauchten Autoreifen wird schwunghaft Handel betrieben.
Ungewohnt für uns sind die „Tankgutscheine“ die von allen großen Supermarktketten ausgegeben werden. Abhängig von der Rechnungshöhe (40 – 200 $), werden Ermäßigungen zwischen 4 bis 25c pro Liter Benzin oder Diesel für bestimmten Tankstellen angeboten. Mit einem 25 Cent–Gutschein in der Tasche können Cruiser sich glatt das zollfreie Tanken ersparen – vorausgesetzt sie sind bereit mit Kanistern zu hantieren.
Wir haben die Neuseeländer als freundlich, hilfsbereit und „hemdsärmelig“ kennengelernt, allzeit bereit sich einer Herausforderung zu stellen und ein auftretendes Problem rasch aus der Welt zu schaffen. Keine Bürokraten, die die Welt vom Schreibtisch aus verändern wollen.