Nach Monaten steht uns wieder einmal eine „richtige“ Überfahrt bevor. Mit fast 800sm die längste nach dem Atlantik – quer durch die karibische See.
Das ganze Jahr über herrschen hier östliche Passatwinde, die allerdings im Winter recht kräftig sein können – 25-30kn sind nicht unüblich – und durch die lange Strecke bis zu den Westindischen Inseln können sich recht hohe Wellen aufbauen.
Die San Blas-Inseln, rund 100sm östlich von der Kanaleinfahrt in Colon sind unser Ziel. Viele Segler schwärmen von diesen paradiesischen Inseln und so versuchen wir unter der Landabdeckung Kubas, soweit als möglich nach Osten zu kommen, um auf der langen Strecke nach Süden günstige Halbwindbedingungen zu haben. Cienfuegos, der einzige Ausklarierungshafen an Kubas Südküste, ist unser Ausgangspunkt.
Als Zwischenstopp bietet sich Jamaica oder die Kaiman Inseln an. Da Jamaica weiter im Osten liegt, entscheiden wir uns für die Kaimans. Mit ein Grund dafür ist, dass uns nach drei Wochen Kuba und geplanten drei Wochen auf den San Blas Inseln, die guten Versorgungsmöglichkeiten, westlichen Standards und höherer Sicherheit dort locken.
Vor uns liegen also erst einmal 180sm – eine gut abschätzbare Entfernung. Rund 24 Stunden planen wir dafür ein – Kurs 200° und raumer Wind. Einzig die ersten Stunden enttäuschen. Obwohl wir bei kräftigem Wind aus der Bucht von Cienfuegos hinaus segeln können, schläft uns dieser am offenen Meer völlig weg.
Die Landmassen der riesigen Insel Kuba sind verantwortlich für die drei unerwarteten Motorstunden. Wir haben nicht damit gerechnet, dass die Abdeckung 15sm weit reicht.
Erwartungsgemäß legt der Wind jedoch bald zu und nach flotter Fahrt (Schnitte um die 8,5kn)können wir um 9:15 Uhr nach 23,5 Stunden an der uns zugewiesenen Boje vor der Hauptstadt George Town festmachen.
Ankern ist dort zum Schutz der Korallenriffe nicht erlaubt, Boje und Ein-/Ausklarieren sind kostenlos. Die wenigen Segler – drei in unserem Fall – sind für die Behörden in Grand Cayman offenbar nur „kleine Fische“.
Am Morgen des vierten Tages nach unserer Ankunft nehmen wir den zweiten Teil der Strecke in Angriff. Dieser ist mit 600sm nicht nur der deutlich längere, sondern auch unangenehmere. Sowohl vom Windwinkel 165° als auch – mangels Abdeckung durch vorgelagerte Inseln – von den weit höheren Wellen.
Der richtige Zeitpunkt der Abfahrt ist bei dieser Strecke schwer zu kalkulieren. Natürlich wäre das Ziel bei gutem Tageslicht in Porvenir anzukommen. Sind doch die San Blas Inseln durchwegs von Riffen umgeben.
Durch unsere schnelle Fahrt von Kuba nach Kaiman verführt, veranschlagen wir für die Strecke vier Tage und drei Nächte. Bei guter Windprognose verlassen wir unseren Liegeplatz schon um 7:45 Uhr.
Bald erreicht der Wind die erwartete Stärke von rund 20kn und mit einem Reff in Groß und Genua wählen wir einen etwas östlichen Kurs, um bei Zunehmen des Windes etwas Abfallen zu können.
In der Nacht wird der Wind etwas schwächer und beschert dadurch die Mannschaft ruhigere Freiwachen. Der Schnitt wird jedoch nicht durch den Wind sondernd durch den gegenlaufenden Strom gedrückt. Statt der kalkulierten 8kn fahren wir über eine lange Strecke nur 6-7kn am GPS – nur die Logge zeigt uns gute 8kn Fahrt durchs Wasser. Am Ende des zweiten Tages ist klar, dass wir die San Blas Inseln kaum bei Tageslicht erreichen werden.
Einem ersten Etmal von 166sm müssten dazu weitere um die 190sm folgen, was gegen die vorherrschende Strömung einfach unrealistisch ist.
Daher kommt uns ein etwas unkonventioneller „Ankerplatz“ mehr als 200sm von jeder Insel entfernt, sehr gelegen. Direkt auf unserer Kurslinie liegt ein 15m langes und 9m tiefes Riff, das am Ende von einer kleinen Insel (Cayo Sarrarila) mit Leuchtturm abgeschlossen wird. Da unsere Seekarte im Osten der kleinen Landmasse einen Ankerplatz anzeigt, wagen wir den Versuch und nähern uns um 16:30 Uhr ganz vorsichtig der Insel – dessen staatliches Hoheitsgebiet wir nicht feststellen können – in der Hoffnung, dass sich die hohen Wellen dahinter beruhigen.
Die für die Überfahrt angenehme Windrichtung NO, stellt sich jedoch bei der Suche eines geeigneten Ankerplatzes als gravierender Nachteil dar. Die Wellen rollen um die Insel, kommen von Norden und brechen über den nicht in der Seekarte eingezeichneten Riffen, die kaum Schutz darstellen.
Zwei Mal fällt unser Anker, so nahe am Riff als vertretbar, trotzdem wird unsere Cul8r hin und her geschüttelt. Ein „ruhiger Schlafplatz“ ist das sicher nicht, abgesehen von der Möglichkeit, dass der Wind in der Nacht drehen oder zulegen könnte. Als wir uns mit zweifelndem Blick ansehen, bemerken wir, dass noch mindestens fünf weitere Augenpaare auf uns gerichtet sind. Die Insel ist keineswegs so einsam wie wir dachten, sondern unsere Ankerversuche wurden von ein paar Personen in Militäruniform genau beobachtet.
Schwierigkeiten mit Behörden, von denen wir nicht einmal die Nationalität kennen, sind so ziemlich das Letzte was wir uns in dieser Situation wünschen. Zusätzlich erscheint uns ein Anlanden bei diesen Wellen mit unserem Dinghi unmöglich. Also holen wir unsere Kette wieder ein, verstauen den Anker und fahren in die zweite Nacht. Wenn wir uns schon beuteln und schütteln lassen, dann lieber auf offener See, als zwischen Riffen und Insel.
Noch in Sichtweite des Leuchtturmes zieht ein Gewitter auf, der Wind legt auf mehr als 25kn zu und erst nach Einbinden des zweiten Reffs – wenn auch nur für ein paar Stunden – kehrt wieder Ruhe ein – im Schiff und bei uns. Es wird eine bewegte – durch Wetterleuchten erhellte –nicht sehr angenehme Nacht ohne, dass Wind und Wellen wirklich bedrohlich werden.
Am dritten Tag unserer Fahrt wird der Gegenstrom deutlich schwächer, der Wind bleibt konstant um die 20kn aus NO und dreht nicht wie erwartet nach Osten. Langsam fallen wir ab auf direktem Kurs nach Porvenir, es wird ruhiger im Schiff und der Schnitt steigt – allerdings zu spät für eine Ankunft bei Tageslicht. Obwohl wir wieder mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von mehr als 8kn unterwegs sind, kommen wir erst um 20:15 Uhr – also 2 Stunden zu spät zu der Ansteuerung von Porvenir auf den San Blas Inseln.
Wir wissen, dass die Seekarten von diesem Revier ungenau sind, vertrauen jedoch auf den ausgezeichneten Revierführer und übertragen die dort angegebenen Wegpunkte, welche sich mit der tiefen Einfahrt auf unserer Seekarte decken. Das gibt uns ein gutes Gefühl, als wir unter Motor mit achterlichem Wind hinter den Schutz der Insel einfahren. Zumindest hört sich das Rauschen der Wellen über den Riffen von allen Seiten gleich weit entfernt an.
Die überraschend vielen ankernden Segler, genau dort wo auch wir unseren Anker fallen lassen wollen, beruhigen uns nur während der Einfahrt. Bei der Auswahl des Ankerplatzes scheinen alle viel zu nahe. Der empfohlene gute Ankergrund ist leider 8-10m tief und die für so eine Tiefe nötige Kettenlänge von 40 m verlangt mehr Raum zum Schwojen, als hier verfügbar ist. Unsere Ankerversuche im Katamaran typischen 3m tiefen Wasser ist leider erfolglos, abgestorbene Korallen und Steine geben dem Anker entweder keinen Halt oder wir sind zu nahe bei einem Riff oder anderen Ankerliegern.
Insgesamt fünf Mal muss der Anker ins Wasser, bis wir beide damit zufrieden sind. Das ist der Preis für eine Nacht ruhigen Schlafs.
Glücklich, die Karibische See gequert zu haben, lassen wir diese Überfahrt bei einem Manöverschluck nochmals Revue passieren: 84 Stunden Fahrzeit für 600sm ergibt einen Schnitt von über 7kn. Das ist zwar nicht berauschend aber auch nicht schlecht. Der Wind war weit nördlicher als erwartet und damit wieder einmal sehr gnädig zu uns.