An das Wetter im Südpazifik haben wir uns rasch gewöhnt: 25 – 30°C Luft- und (mindestens) 25° Wassertemperatur, Wind zumeist um die 15 kn aus NO bis SO – so lässt es sich leben. Rasch durchziehende Wettersysteme bringen nur selten stärkeren Wind als 25 kn und der Regen ist nur von kurzer Dauer. Wir befinden uns eben auf der „Barfußroute“, wo die Segler keine Schuhe brauchen – oder am „Coconut-Milk-Run“, wie die Amis sagen. Leider endet diese Idylle spätestens, wenn die ersten Wirbelstürme, hier Zyklone genannt, ins Land ziehen – dann suchen die meisten Fahrtensegler das Weite. Sie ziehen entweder nach Norden, zum Äquator, wo Gewitter Flauten, heftige Regengüsse und Mückenplagen drohen, oder weit in den Süden, nach Australien oder Neuseeland (NZL), raus aus den Tropen in gemäßigte Klimazonen.
Wir wollen uns die landschaftliche Schönheit Neuseelands nicht entgehen lassen und müssen daher in Kauf nehmen bis auf 35° Süd zu gehen, bis Opua, dem nördlichsten Einklarierungshafen von NZL.
Das Timing dieser rund 1.100 sm stellt für alle Segler eine große Herausforderung dar, müssen sie doch die Tropen verlassen und sich mit den rasch ziehenden Hoch- und Tiefdruckgebieten der südlichen Hemisphäre auseinandersetzen. Rund 1.000 Fahrtensegelboote warten in Tonga, Fidschi oder Neukaledonien auf ihr „Wetterfenster“ und lassen sich teilweise auch von professionellen „Routern“ kostenpflichtig leiten.
Schon bei der Wahl des geeigneten Monats scheiden sich die Geister. Ab 1.November beginnt offizielle die Zyklonsaison – aber Zyklone halten sich nicht immer an Terminvorgaben. Wer zu früh in den Süden zieht, muss nicht nur mit Kälte, sondern auch mit stärkeren Winden in NZL rechnen („Winterstürme“). Alle, die diese Strecke schon mehrmals gefahren sind, empfehlen „später“ zu fahren, Ende November/Anfang Dezember – das Wetter werde immer besser, die Winde schwächer und das Zyklonrisiko sei noch sehr gering. Man muss halt immer ein wenig nach NW sehen, ob sich dort ein lokal begrenztes Tief bildet, dessen Isobaren sich zu einem Kreis schließen. Nicht besonders rosige Aussichten, vor allem wenn man einmal unterwegs ist und großflächige Prognosen nur mehr schwer über Funk zu bekommen sind.
Aus den bisherigen Erfahrungsberichten haben wir uns den November als geplanten Reisemonat vorgestellt – und sind wirklich überrascht, als fast alle unserer Freunde bereits im Oktober Tonga verlassen. Bei gutem, wenn auch kräftigem O-Wind (bis 35 kn) haben sie alle eine rasche, wenn auch raue Überfahrt. Daraufhin setzt eine Art Massenhysterie ein – alle wollen auf einmal früher fahren – vielleicht nur um diese Strecke hinter sich bringen. Nein, wir bleiben bei unseren Plänen – 5 Monate NZL sind genug und warum so früh raus aus den Tropen in den kalten Süden?
Die nächste Gruppe nimmt die Strecke Ende Oktober/Anfang November in Angriff – und fährt erwartungsgemäß in das BFH (Big Fat High), welches die Meteorologen prophezeien. Taglanges Motoren – dafür gibt’s ja die beliebten Kanister an Deck – oder Warten und dann erst gegenan, meist mit Motor. Nein, da war’s nicht schwer zu widerstehen, wir genießen lieber die HA`APAIS, die viele einfach auslassen.
Da wir bekanntlich gerne viel Ankerplätze anlaufen und lange Strecken lieber aufteilen, wenn dies möglich ist, besuchen wir nach den Ha`apais noch kurz die Tonganische Hauptstadt Nukoalova auf Tongatapu, um unsere Vorräte aufzufüllen und bereit für den großen Sprung zu sein – aber auch um genügend Reserven für etwaige Wartezeiten am Minerva-Riff zu haben. Das Minerva-Riff ist der einzig in Frage kommende Ankerplatz nach Tongatapu, ein rund 3 sm großer Korallenring mit einem Pass im NW bietet einen riesigen Ankerplatz auf 6-15m Tiefe – und sonst gar nichts. Keine Insel, kein Land, rundherum nur Pazifik.
Bei Ebbe kann man mit Schuhen auf dem teilweise überspülten Riff spazieren, Muscheln suchen und Krabben erschrecken. Bei Hochwasser wird das Riff gänzlich überspült und der Ankerplatz daher ein wenig schaukelig. Politisch wird das Riff von Tonga annektiert, auch Fidschi hat schon Anspruch darauf angemeldet und ein reicher Ami hat vor Jahren Sand aus Australien angeschüttet und versucht, eine eigene Republik darauf zu etablieren.
Ohne Erfolg allerdings, denn seit die UN-Seerechtskonvention die Wirtschaftszone von der Lage der äußersten Inseln abhängig macht, sind entlegene Inseln bares Geld wert. Um den Gebietsanspruch zu unterstreichen, patrolliert zu unserer Zeit ein Tonganischer Seekreuzer in und um das Riff – ohne allerdings die anwesenden Segler zu belangen. Böse Zungen behaupten, die Soldaten hätten zu wenig Verpflegung und müssen diese durch Fischfang ergänzen – deshalb die Runden um das Außenriff.
Das Minerva-Riff liegt etwa 260 sm von der Tonganischen Hauptstadt Nukoalova entfernt, noch in der Passatwindzone, Kurs 230°, soll also beim vorherrschenden O-Wind binnen 2 Tagen zu erreichen sein. Die angesagten 15 kn aus O sind leider 20 kn aus SSO und so „brettelt“ unsere CUL8R am ersten Tag mit 7-8 kn durch die immer höher werdenden Wellen dahin – viel zu schnell für eine Ankunft bei Tag und sehr feucht. Zu unserer Freude lässt der Wind am 2. Tag etwas nach, wir bleiben im 2. Reff um zu bremsen – und holen trotzdem die Schweizer Yellow Dog fast ein, die am Abend vorher in Nukoalova gestartet ist.
Nach der unspektakulären Einfahrt in das Riff kreuzen wir die knapp 3 sm nach SO um dort bestmöglichen Schutz gegen den Schwell zu haben und ankern um 09:30 Uhr als 11. Schiff. Einige von ihnen sind uns gut bekannt (Pelagic, Sailaway, Mango, Yellow Dog, Mabuhay).
Die beiden Tage die wir hier verbringen sind recht windschwach – optimal zum Schnorcheln und Riff erkunden. Sehr beeindruckend die Vielfalt der Rifffische und Korallen – noch nie haben wir bis zu 80 cm große Papageienfische gesehen.
Natürlich ohne Internet, aber mit Wetterdaten bestens versorgt – danke lieber Bernd vom TRAUMJÄGER – siehe Atlantiküberquerung im Dezember 2009 – findet natürlich täglich ein reger „Erfahrungsaustausch“ statt, wann wohl das beste Wetterfenster für die Weiterfahrt sein wird. Und das erscheint mir nur zwei Tage nach unserer Ankunft bereits gegeben.
Zumindest in den nächsten drei Tagen sollte kräftiger O-Wind gutes Vorankommen ermöglichen – für die letzten 300 sm nur mehr leichter Wind, der allerdings aus SW, also auf die Nase. Das ist zwar nicht das was wir uns erträumt haben, aber zumindest kein Sturm und kein windloses BFH (Big Fat High). An Neuseelands Nordkap ist eben SW die Hauptwindrichtung und mit Ausnahme der frühen „Oktober-Fahrer“ müssen alle Yachten mit diesem Wind fertig werden.
Kaum angekommen, wollen wir also nach zwei Tagen bereits weiter – noch frisch versorgt vom Markt in Nukoalova geben wir daher großzügig etwas Obst und Gemüse an unsere Freunde ab, die schon länger am Minerva-Riff sind. Die Behörden in NZL würden uns die frischen Sachen sowieso wegnehmen. Als dann am Funk die Möglichkeit eines herannahenden Sturm mit bis zu 60 kn über dem Minerva-Riff die Runde machte, entschließen sich 8 der 12 Ankerlieger noch am 13.11. aufzubrechen, auch wenn der 13. nicht allen gefällt.
MANGO und SECRET AGENT MAN haben diese Nachricht gar nicht mehr erhalten – sie sind bereits am 12. abgefahren und wie erwartet, in der ersten Nacht nicht sehr weit gekommen – der Wind war noch zu schwach. Wir starten also am 13. zu Mittag und „fahren in den Wind“ – die ersten Stunden kaum 5 kn, dann 6, bald 7 – und noch vor Einbruch der Dunkelheit wird das 1.Reff eingebunden – mehr als 18 kn scheinbarer Wind.
Dann geht es flott dahin – 500 sm in drei Tagen – das war’s, was wir uns erhofft haben – bis zu 100 Seemeilen vor unseren „Verfolgern“ – Skippers Antlitz strahlt – aber nicht lange. Noch 330 sm und der Wind dreht erwartungsgemäß auf SW, wir legen um und fahren SSO-Kurs und entfernen uns (leider) von der W-Seite, auf die wir doch zuhalten wollen. Am 5.Tag wird der Wind schwächer und bleibt dann ganz weg. Diesmal wird nicht lange gefackelt – ab 8 kn kommt der Motor zum Einsatz und SSW gut gemacht. Jede direkt gefahrene Meile reduziert die zu erwartende Kreuz um zwei Meilen. Das kostet 12 Motorstunden an einem Tag – sichert aber ein Etmal von 98 sm zum Ziel.
Am Ende des 5.Tages kommt wieder Wind – mehr als wir uns wünschen. Statt der angesagte 10-15 kn sind es konstante 25, in den Boen 27-29 kn wahrer Wind. Im 2.Reff mit Mini-Vorsegel stampfte sich unsere CUL8R durch die 3m hohen Wellen – wie in einer Waschstraße. Motorunterstützung bringt da kaum Vorteile – etwas höher am Wind – dafür aber langsamer. Also kreuzen wir mit Segel gegen den Wind – laufen lassen – und hoffen, dass die angekündigt Süd-Drehung wirklich kommt und uns West gutmachen lässt. Wir wollen natürlich in die Land-Abdeckung von NZL – aber nicht um jeden Preis, sprich nicht auf jedem Kurs. Auf BB-Bug können wir 165° anliegen – aber nach einer Wende nach West würden wir uns vom Ziel entfernen. Also bleiben wir weiter auf SSO-Kurs.
Am 6.Tag ist es dann soweit – Wind dreht um 20° – Wende, neuer Kurs 280° – wir fahren nach Westen. Und der Wind dreht weiter, wir können bis zu 265° fahren – Wende also gut erwischt – trotzdem ist der Wendewinkel erbärmlich. Aber den Monos ergeht es nicht besser. Einige versuchen mit Motorunterstützung mehr Höhe zu laufen – um dann reuig wieder zum Segeln zurückzukehren. Zu stark das Stampfen in den Wellen – zu sehr wird das Schiff immer wieder abgebremst. So segeln sie etwas mehr Höhe, sind aber dabei langsamer – sehr groß ist der Unterschied in der Geschwindigkeit nach Luv nicht. Der 6.Tag scheint kein Ende zu nehmen – NZL ist (fast) in Sichtweite und doch noch endlos weit entfernt.
Erst am Abend lässt der Wind dann merklich nach – 17 kn sind auf einmal recht angenehm – aber die Wellen kommen noch immer von allen Seiten und rauben unserer CUL8R die Fahrt. Noch vor Einbruch der Dämmerung sehen wir am Horizont die Berge Neuseelands – jetzt ist es nicht mehr weit – nur mehr 40 sm – aber gegen den Wind. In der Nacht versuchen wir weiter in die Landabdeckung zu gelangen, die Wellen werden niedriger – der Wind wird schwächer.
Eigentlich könnten wir jetzt motoren – aber warum? Um den Partner im Schlaf zu stören? Oder um wieder einmal bei Nacht in einen unbekannten Hafen einzulaufen? Dann besser eine fast lautlose Kreuz bei 7-8 kn Wind. Morgengrauen und Sonnenaufgang in der berühmten „Bay of Islands“.
Ein opulentes Frühstück auf der Terrasse – wir kreuzen noch immer – mit dem letzten Obst, den letzten Ei, dem letzten Blatt Schinken. Ein Hoch auf die Bordfrau, die alles ganz perfekt eingeteilt hat. Bekanntlich würden uns all diese Köstlichkeiten in wenigen Stunden von den Beamten der „Biosecurity“, eine Art Neuseeländisches Landwirtschaftsministerium, freundlich aber bestimmt weggenommen werden. Honig, Fleisch – auch gekochtes – und Samen dürfen nicht nach NZL eingeführt werden.
Gemütlich, nach dem Frühstück, machen wir am 7.Tag um 09:20 Uhr vor der Opua Marina fest – auf dem dafür vorgesehenen Wellenbrecher ohne Landzugang – und warten auf die Behörden mit den großen Müllsäcken, die dank der hervorragender Planung fast leer bleiben werden.
Wir sind in Neuseeland – wir haben es geschafft – zwar mit 250 sm Umweg, aber mit nur 17,6 Motorstunden – 165 Stunden für 1.026 gefahrene Meilen ergibt einen passablen Schnitt von 6,2 kn – und nachträglich betrachtet war das Gerüttel und Gestampfe doch gar nicht soooo schlimm.
Nach der raschen und kostenlosen Einklarierungsprozedur verholen wir unsere CUL8R erstmals seit Kuba im Jänner an einen Marina-Steg und tauchen sie dort in Süßwasser – soweit das eben mit einem Schlauch möglich ist.
Und die anderen? Wie ist es den 7 anderen (6 Monos und einem Stahlkat), die am gleichen Tag (oder am Tag davor) aus dem Minerva-Riff ausgelaufen sind, auf der Überfahrt ergangen?
Am selben Abend kam nur die 14m Stahl-Ketch SAILAWAY an – mit mehr als 70 Motorstunden „in höherer Drehzahl als gewöhnlich“, wie Werner sagte. Mit „normaler“ Drehzahl sei kein Weiterkommen gewesen. MANGO und RANTANPLAN, zwei Alu-Knickspanter von ca. 36 Fuß kamen am nächsten Morgen, YELLOW DOG (Beneteau 42), PELAGIC (46‘ Stahlkat –Eigenbau) und SECRET AGENT MAN (ca. 38‘ GFK) am nächsten Abend und MABUHAY (Beneteau 40 CC) kam genau zwei Tage nach uns an den Zollsteg.
Alle klagen über ruppige See, mangelnde Höhe am Wind, geringe Geschwindigkeit – eben keine Bedingungen für Fahrtensegler, die Backstagbrise bei höheren Temperaturen gewöhnt sind. Aber alle sind ohne nennenswerte Probleme angekommen – und darauf kommt’s doch an.