07. – 13.11.2012
Die knapp 800 sm von Noumea in Neukaledonien nach Bundaberg in Australien sollten auf Grund des fast westlichen Kurses beim vorherrschenden Passat achterliche Winde und eine ruhige und angenehme Überfahrt versprechen. Das haben uns zumindest die Australier vermittelt, die wir auf unserer Reise kennengelernt und die diese Strecke schon mehrmals hinter sich gebracht haben.
Aber warum fahren fast alle Cruiser in die kleine Provinzstadt Bundaberg? Weil es hier einen „All-Weather-Harbor“ gibt, der auch in der Nacht angelaufen werden kann, gute Marinas und Ankerplätze im Fluss, oder eine Rum-Fabrik? Das alleine würde wohl nicht ausreichen. Hauptbegründung ist der lokale Yachtclub, der sich bereiterklärt hat, die Australische Quarantäne-Gebühr von 330 A$ in bar zurück zu zahlen, wenn man an der Port-To-Port-Rally (P2P) teilnimmt, die keine anderen Bedingungen kennt, als die Bezahlung des Nenngeldes von 220 A$ und Eintreffen in Bundaberg bis zum 18.November. Von wo die Yachten starten (Fidschi, Vanuatu oder Neukaledonien), ist ebenso unwichtig, wie wann sie das tun. Nur am 18.11. müssen alle da sein, da gibt es ein großes gemeinsames Abendessen.
In Australien einklariert sollte natürlich in den Amtsstunden unter der Woche werden, die Ankunft ist bereits 96 Stunden (!) vorher zu melden und so planen wir eine Abfahrt aus Noumea in der Woche von 5.bis 9. November, natürlich wetterabhängig. Wir wickeln die zwar kostenlose, aber aufwändige Ausklarierung in drei örtlich getrennten Behörden und den letzten Einkauf am Dienstag ab, nach einem Blick aufs Wetter steht einem Ablegen am Mittwoch nichts im Wege. 15 kn Wind aus OSO scheinen ganz perfekt und es sind weit und breit keine Fronten vor Australien zu erkennen. Dies bestätigen auch die Wettergurus der täglichen Amateurfunkrunde und unser „privater Wetterrouter“, der Bernd vom Traumjäger per email.
Wir laufen um 10:00 Uhr aus und binden noch in der Bucht das erste Reff ein, die sichtbaren Schaumkronen kommen nicht von 15 kn Wind. Bald haben wir über 20 kn Grundwind, in Böen bis an die 30, uns reicht das zweite Reff, wir sind damit immer noch schnell genug. Das erste Etmal um die 170 klingt weit besser als es sich anfühlt, Mannschaft und CUL8R werden geschüttelt und geschlagen, bekanntlich zieht anhaltend starker Wind entsprechende Wellen nach sich. Aber wir sind zumindest schnell und rechnen jetzt mit einer Überfahrt von nur 4-5 Tagen.
Bereits nach zwei Tagen, also am Freitag, kommt über Funk die Empfehlung „zu bremsen“ – ein kleines Tief wird entlang der Australischen Küste nach SO ziehen, wir sollten es besser durchlassen und nördlich umfahren. Durch die riesige Landmasse drücken sich die Isobaren vor der Küste zusammen und ergeben einen Starkwindbereich, der besser zu meiden sei.
Also packen wir am Freitag Vormittags weg, jetzt wo endlich die angesagten 15 kn Wind angenehmes Segeln ermöglichen würden, lassen wir uns nur mit Genua sanft nach Osten schieben. Fühlt sich gemütlich an, wäre nicht das Wissen um den Grund der Verzögerung. Samstag und Sonntag soll der O-Wind sich gegen den Uhrzeigersinn über N nach W drehen, zwar nur 10-15 kn, aber zweifelsfrei KEINE Passatwindbedingungen mehr.
Erstmals auf unserer Reise, kaum drei Tage nach der Abfahrt, eine Windentwicklung, die bei der Abreise noch nicht absehbar war. Die Windkarten zeigen jetzt einen fast 300 sm breiten Streifen mit Starkwind (30-35kn) auf der ganzen Länge zur Küste – da führt kein Weg daran vorbei – da müssen wir durch. Je weiter im N, umso schwächer, je später umso weiter dreht der Wind von S nach O. Wir können also wählen, entweder bleiben wir im S und werden kürzere Zeit stärkeren Wind haben, oder laufen nach NW ab und müssen dann längere Zeit gegen den SO höher am Wind laufen.
Wir entscheiden uns für die „in etwa 30 kn – Linie“, wollen also so weit und so langsam nach N fahren, bis die Grip-Files nicht mehr als 30 kn versprechen, die ja am Schiff eher 40 sein werden. Ungefähr um Mitternacht von Sonntag auf Montag dreht der Wind weiter auf S und legt zu. Weiter gegenan zu segeln wäre zwar mit dreifach gerefftem Groß noch möglich, würde aber Schiff (und Mannschaft) über Gebühr beanspruchen.
Nur unter maximal gereffter Genua stellen wir den Autopiloten so ein, dass der Bug leicht in den Wind zeigt, was zwar einen Ruderausschlag von rund 20° erfordert, der Autopilot diesen Kurs aber ganz locker und ohne starkem hin und her halten kann. Für einen echten Amwindkurs sind wir viel zu langsam, vielmehr treiben wir nach Lee mit 1-2 kn am GPS, wobei das Log 3-4kn zeigt, also 2 Knoten Gegenstrom.
Fast 24 Stunden bleibt uns der Starkwind erhalten, in den Böen immer wieder 35kn und mehr, maximal haben wir 42,4 kn notiert. Wellenhöhen sind immer schwer zu schätzen, sie sind mit 4-5 m prognostiziert und das wird ungefähr auch der Realität entsprechen. Die Wellen sind ja das Kernproblem, die Windstärke kann, zumindest bei diesen Windstärken, durch Reduktion der Segelfläche ausgeglichen werden, zu hohe Wellen können das Schiff gefährden. Natürlich werden wir hin und wieder seitlich von einer brechenden Welle getroffen, die unsere CUL8R in rauschende Gischt taucht, aber eigentlich ist es faszinierend, wie leicht das Schiff in den hohen Wellen aufschwimmt. Wieder einmal sind wir froh, dass wir uns für einen leichten Katamaran entschieden haben und bei der Ausstattung auf das Gewicht achten.
Wir bleiben trocken im Schiff und empfinden es recht bequem, weit angenehmer, als bei 20 kn Wind mit 8 kn über die Wellen zu rauschen. Leider haben wir aber von zu vielen Unglücksfällen gehört, wie z.B. von unseren brasilianischen Freunden Solange und Joao auf dem Katamaran CASULO, einem Lagoon 420. Sie sind auf der gleichen Strecke vor nur einer Woche rund 100 sm vor Australien von einer Welle so hart getroffen worden, dass dadurch eine Trennschott im BB-Rumpf zerbrochen, die Rumpf-Deck-Verbindung auf einer Länge von 4 m aufgerissen und bei jeder Welle Wasser ins Schiff geschwappt ist.
Um seine Familien fürchtend – sie haben zwei Töchter an Bord – setzte Joao sicherheitshalber eine PANPAN-Meldung ab und rascher als erwartet, schickte die Australische Küstenwache einen Bergungshubschrauber. Beim Versuch sich und seine Mannschaft für das Abbergen klar zu machen, ging das Dinghi in den 5-6m hohen Wellen verloren und der Hubschrauber drehte wegen Treibstoffmangel ab, als Joao halste und sich damit von Australien entfernte, um die schwer beschädigte Seite der CASULO nicht weiter den brechenden Wellen auszusetzen. Mit viel pumpen, schöpfen und Geduld schafften die vier es dann doch noch mit eigener Kraft in den Schutz einer Insel nahe dem Festland und motorten nach Abflauen des Sturms nach Bundaberg.
Aber jetzt genug Horrorgeschichten, die ja zum Glück immer nur „den anderen“ passieren. Unsere CUL8R ist heil geblieben, allerdings hatte die CASULO stärkeren Wind, höhere Wellen und mehr Segelfläche getragen. Am Dienstag ist für uns der Spuk vorbei, wir melden über Funk (nochmals) unser Kommen der Port Bundaberg Marina und erhalten die Option, noch heute einklariert zu werden, wenn wir die Ankunft bis 16:00 Uhr schaffen. Zoll und Quarantäne sind vor Ort und erwarten uns. Jetzt kommt erstmals auf dieser Überfahrt ein VOLVO-Motor zum Einsatz, zusätzlich zu den beiden Segeln treibt er bei nur 10 kn Wind unsere CUL8R mit 7 kn in den Burnett River.
Ich mag Einklarierungen kurz vor Dienstschluss! Die Beamten wollen nach Hause gehen und zwar pünktlich. Da bleibt kaum Zeit für das Ausfüllen der Formulare, geschweige denn für umfangreiche Durchsuchungen. Die Bordfrau hat ihre Einkäufe perfekt geplant, wir haben sogar aufs Fischen unterwegs verzichtet, um unsere Vorräte zu dezimieren, und die kleinen Geheimnisse, die sind gut versteckt. Es ist uns ja bekannt, dass die Einfuhr von Fleisch, Wurst, Käse, Obst, Gemüse, Eier, Nüsse, usw. verboten ist und auch Eingekochtes und Eingefrorenes (falls vorhanden) von der Quarantäne gnadenlos weggenommen wird. So hat sich der Tisch heute morgen beim Frühstück gebogen und die letzte Orange wird knapp vor dem Leuchtturm verzehrt.
Mit einem Holzanteil von weniger als 10% wird unsere CUL8R als „nicht Termiten gefährdet“ eingestuft, anderenfalls hätten wir unter Umständen Hunde zum Schnüffeln bezahlen müssen, das Unterwasser wird kaum beachtet, im Falle einer Beanstandung hätten wir möglicherweise Taucher für eine genaue Inspektion bezahlen müssen. Wir bekommen keine Extrakosten aufgebrummt, „nur“ die bekannte Gebühr von 330 A$ ist zu berappen und diese wird am nächsten Tag vom Yachtclub wieder rückerstattet.
Jetzt sind wir auch offiziell in AUSTRALIEN – das 12 Monate geltende Visum dafür haben wir schon in Fidschi über Internet beantragt.