18. – 23.06.2012
Auf den 191 gefahrenen Seemeilen nach Samoa wird uns fast alles geboten, was der Wettergott so im Programm hat. Die ersten fünf Stunden laufen wir mangels Wind unter Motor – da freuen sich die Batterien und der Watermaker – gegen Abend kommt Wind auf und die Nacht gestaltet sich wechselhaft, inklusive kräftiger Regenschauer.
Die Insel schon im Blickfeld werden wir an der NW-Seite von ´Upolu nach einer einstündigen Flaute schließlich noch mit großen dicken Regenwolken und dazu passenden, kräftigen Wind (30kn) belohnt.
Deshalb ist die Freude an Bord groß, als wir nach 32 Stunden Überfahrt, in der Abenddämmerung, von einem kleinen Motorboot in die Marina Apia geleitet werden. Hier herrscht absoluter Seglerluxus. Die Lichter der Stadt schimmern verführerisch in den Nachthimmel und wir sitzen – frisch geduscht – auf einer, an neuen Schwimmstegen vertäuten, Cul8r. Wasser- und Stromanschluss, sowie die Bewachung rund um die Uhr sind in den Kosten von rund 13 Euro pro Tag inklusive.
Um den Luxus perfekt zu machen, lassen wir uns einen der beiden Thunfische schmecken, die sich gestern noch rechtzeitig vor Einbruch der Dämmerung von unseren Schleppleinen verführen haben lassen. Satt und zufrieden fallen wir dann bald in unsere Koje und genießen die ruhige und kühle Nacht.
Am folgenden Tag lernen wir dann die samoanische Mentalität näher kennen.
Die Beamten der Quarantäne, des Gesundheitsamtes und des Zoll „tröpfeln“ ab 11 Uhr bei uns ein und versichern mit treuherzigem Augenaufschlag und einem warmen Lächeln im Gesicht, dass sie erst unmittelbar von unserer Ankunft erfahren haben. Wobei der Zollbeamte erst nach persönlichem Einsatzes meines Skippers in dessen Schlepptau um 15:30 Uhr den Weg zu uns findet. Nach Ausfüllen unendlich vieler Formulare verabschieden sie sich mit der aufrichtigen Versicherung, wie froh sie über unseren Besuch seien, und einem herzlichen Handschlag.
Wir nutzen die Zeit des Wartens, entsalzen unsere Cul8r, plaudern mit unserem österreichischen Nachbarn Hans und Johannes von der „MOPEPO“ und lassen uns von dem Überfluss an Süßwasser dazu verführen, die Segelkleidung und alle möglichen Dinge an Bord mit Süßwasser zu spülen.
Da die Immigration offensichtlich keinen Wert auf ihr persönliches Erscheinen legt, verlassen wir um 16 Uhr – mit Zustimmung der Marinamitarbeiter – zum ersten Mal offiziell unser Boot. Versorgt mit samoanischen Tala vom nahen Bankomat, statten wir dem nächstbesten Supermarkt einen Besuch ab, wo wir das übliche „Gummiknautschbrot“ erstehen, besorgen uns noch eine Stunde Internet und lassen uns – nachdem die „wirklich wichtigen Dinge“ erledigt sind – einen Fruchtdrink in einem der Lokale mit Blick auf die Marina schmecken. Dies zählt für uns zu den „Luxusgenüssen“ erster Klasse.
Der nächste Morgen bringt eine unliebsame Überraschung – ich habe, verführt vom heißen, trockenen Klima hier, ein Rumpffenster geöffnet und in der Nacht vergessen zu schließen. Kräftiger Regen hat das seine getan und so bin ich noch vor dem Frühstück damit beschäftigt, die vordere Backbordkajüte auszuräumen. Zum Glück ist es Süßwasser und die strahlende Sonne hilft alles wieder schnell zu trocknen. Nach dem Verstauen noch eine Dusche – Samoa ist unser nördlichster und vermutlich wärmster Staat im Pazifik – und dann erkunden wir mit den Rädern die Stadt.
Überall werden wir freundlich gegrüßt und genießen das lebhafte bunte Stadtbild. Vom Zentrum weg führt uns die Straße um die Halbinsel Mulinu`u immer dem Meer entlang.
Sehenswert ist der Busbahnhof, wo sich die Reisenden ihr bevorzugtes Transportmittel nicht nur nach dem Zielort, sondern auch nach der Musik, die aus den Lautsprechern dröhnt, wählen. Ein samoanischer Bus besteht aus einem Lastwagenchassis mit buntem, hölzernem Aufbau als Fahrgastraum, einer angeblich diskoreifen Musikanlage und ist meist überfüllt.
Wir bevorzugen heute allerdings unsere Räder und besuchen noch einige deutsche Erinnerungsstätten. Genug von Sehenswürdigkeiten und mit knurrenden Mägen wählen wir den Markt als nächstes Ziel. Bananen, Ananas, Papaya, Limonen, Sweet Oranges (Mandarinen), Taro, Süßkartoffel und, und, und – hier wird wirklich alles angeboten. Traumverloren wandern wir zwischen den bunten Ständen umher, bis sich der Hunger wieder meldet und so wechseln wir in den „Restaurantteil“ innerhalb des Marktes. Dort mischt sich der Duft von Gebratenen und Gegrillten verführerisch in unseren Nasen.
Wir entscheiden uns für das – offensichtlich sehr beliebte – Menü: „faschierte Hühnerfleischbällchen“ und einen Becher Orangensaft. Als Nachspeise gibt es dann noch „Bananenpalatschinkenkügelchen“ – sehr lecker. Wir sind beide gut satt für 5 Taler, das sind weniger als 2 Euro. Nur die etwa 5cm große Kakerlake, die auf einer der Verkaufsbuden herumkrabbelt, irritiert uns ein wenig. Aber da sich offensichtlich niemand daran stößt, übersehen wir sie auch.
Reich bepackt mit Früchten und Gemüse vom Markt und Käse und Fleisch vom Supermarkt kehren wir müde und verschwitzt wieder zurück in die Marina. Den Abend beschließen wir gemeinsam mit unseren steirischen Nachbarn bei „Seglergeschichten aus aller Welt“ – wer in 28 Jahren vier Mal die Erde umrundete, hat einiges zu erzählen.
Auch wenn wir von einem Paradies zum nächsten segeln – Hausarbeit bleibt auch uns nicht erspart. Das hier herrschende trocken-warme Klima eignet sich hervorragend für unser Vorhaben und so stellen wir wieder mal unsere Stauräume und Kojen auf den Kopf und führen unsere Garderobe den interessierten Besuchern der Restaurants hinter uns vor. Lustig flattern die Hemden Blusen, Hosen, Jacken in der Sonne und der leichte Wind vertreibt den so schnell entstehenden modrigen Geruch – gegen den wir immer zu kämpfen haben.
Nach so viel Arbeit haben wir eine Belohnung verdient. So verlassen wir am Abend „gekampelt und geschneutzt“ unser jetzt so sauberes Heim und lassen es uns bei einem bunten Abend im „Aggis Grey- Hotel“ gut gehen. Wie wir später erfahren, verdient sich hier das Hotelpersonal ein kleines Zubrot, in dem sie die Gäste mit samoanischer Musik und Tänze verwöhnen. Die Mädls scheinen uns zwar ein wenig langsam und sehr bedächtig aber der anschließende Feuertanz am Swimmingpool fesselt uns umso mehr. Danach gibt es Buffet mit heimischer Kost und da wir schnell genug sind, können wir noch zwischen den reichhaltigen Köstlichkeiten wählen.
Im Laufe des Abends lernen wir unseren samoanischen Tisch-Nachbarn kennen. Die beiden Frauen und ein Mann – alle schon etwas ältere Semester – sind in jungen Jahren nach Neuseeland bzw. Australien ausgewandert und kommen jedes Jahr für einige Wochen in die alten Heimat, um den Kontakt zur Familie nicht zu verlieren. Sie geben uns ihre Telefonnummern und wollen unbedingt angerufen werden, wenn wir nach Australien kommen. Nach diesem wunderschönen Abend genießen wir, mit vollen Bäuchen und bunten Bildern im Kopf, den Abendspaziergang nach Hause – selbst bei Dunkelheit ist dies hier ohne Risiko möglich.
Eine Inselrundfahrt mit dem Leihwagen ist zwar immer wieder eine Herausforderung – zählt aber zu unseren Lieblingsunternehmungen. Gut bewaffnet mit Straßenplan geht es los – und da zeigt sich, dass die Straßen auf dem Plan zwar Namen haben, aber eine Beschriftung der Straßen selbst hier offensichtlich als unnötig erachtet wird. So tasten wir uns langsam bis zur „Cross Island Road“ – laut unserem Führer eine der landschaftlich schönsten Straßen, welche die Hauptverbindung zwischen Apia und der Südküste bildet.
Und wirklich, immer wieder bleiben wir stehen, um einen Wasserfall, eine wunderschöne Aussicht oder eine der zahlreichen imposanten Kirchen zu bewundern. Der Glaube hat in der samoanischen Gesellschaft offensichtlich einen sehr hohen Stellenwert – jedes noch so kleine Dorf beherbergt mindestens ein – meist wunderschönes – Gotteshaus.
Die traditionellen Unterkünfte der Samoaner sind Fales – Dächer auf Säulen, die mit einer Plattform verbunden sind. Aus verschiedenen Baumaterialen, dominieren sie immer noch das Dorfbild. Zusätzlich dazu stehen meist im Hintergrund richtige Häuser. Wo die Fales als alleiniger Lebensraum ausgedient haben, werden sie zu Versammlungszwecken oder einfach nur fürs Mittagsschläfchen genutzt. Die Luxusvariante sind dann Häuser mit anschließender riesiger überdachter Terrasse. Also eine Mixtur aus Fale und Haus, die gibt es allerdings eher selten – ist wohl eine Preisfrage.
Nachmittags bevölkern dann die Schüler am Heimweg die Straßen. In ihren grünen, roten oder blauen Kleidern bzw. Hosen und weißen Hemden ziehen sie fröhlich lachend und winkend in kleinen Karawanen nach Hause.
Dann haben wir genug von unzähligen Fales, Kirchen und Straßenhändlern, und freuen uns auf einen gemütlichen Abend am Boot.
Mit Wäsche waschen, Boot putzen (wer kann schon sein Bad mit dem Schlauch reinigen?), und Einkaufen, vergeht auch unser letzter Tag hier in Apia. Wir streifen noch einmal mit den Rädern durch die Stadt und ich fröne einer meiner Lieblingsbeschäftigungen – Supermarkt-Besichtigen. Nachmittags wird dann das frisch gewaschene Wintergewand endgültig in Vakuumsäcke verpackt und damit schimmelsicher verstaut.
Edi besorgt noch das nötige Permit, damit wir auch der Nachbarinsel Savai`i einen Besuch abstatten dürfen und dann freuen wir uns schon, morgen hier ablegen zu können. Die täglich lauter werdende Musik aus den umliegenden Lokalen konkurriert heute mit einem mindestens so lauten Partyboot und erreicht dadurch ihren vorläufigen Höhepunkt. Nichts für unsere vom Rauschen des Wassers und Säuseln des Windes verwöhnten Ohren – wir wollen weiter.