12. -20.10.2012
Wir verlassen Fidschi nach einem Tankstopp in der Vudapoint-Marina erst gegen Mittag, ohne dem sonst üblichen „Kribbeln“ vor langen Überfahrten – im Vertrauen auf den Wetter- und Windprognosen welche SO-Wind mit maximal 15 kn und Schönwetter versprechen. Die 460 Seemeilen zur südlichsten Insel Vanuatus sollten gemütlich in drei Tagen auf Raumschotkurs abzusegeln sein. Dass der Wind in Lee von Fidschis Hauptinsel Viti Levu erst einmal aus NW kommt, überrascht uns nicht, das haben wir in den letzten Wochen immer wieder festgestellt. Dieser thermische Wind schläft erwartungsgemäß bald ein und nach einer halben Motorstunde kommen erst Wellen, dann auch der Wind aus SW, also genau auf die Nase.
Wir nähern uns gerade Fidschis Außenriff und wollen durch die Malolo-Passage – eine Durchfahrt, die wir auf Grund des leichten Windes ausgewählt haben. Jetzt wäre jede andere Passage ein Riesenumweg – also ran an die Motoren und mit beiden Maschinen gegen Wind, Welle und Strömung. Keine Rede von Leichtwind und Raumschotkurs – wir bolzen gegen 20 kn Wind und kurze, steile Wellen. Außerhalb des Riffs werden die Wellen höher, sind aber nicht mehr so steil, wir rollen die Genau aus und fallen ab nach NW – obwohl doch 250° der direkte Kurs wäre.
In der Hoffnung auf ein baldiges Nachlassen des Windes und eine Drehung nach Osten, düsen wir im vollen Vertrauen mit 8 kn nach NW. Und das viele Stunden lang. Erst nach 50 sm ist die Windablenkung und –verstärkung vorbei – bis dahin sind aus 15 kn Wind konstante 25+, in den Böen bis 30 kn geworden – alles nur wegen einer im Weg liegenden Insel.
Danach gestaltet sich unsere Überfahrt recht angenehm, der Wind wird schwächer, hält aber durch – ohne den Motor bemühen zu müssen, laufen wir nach 72 Stunden in die große, von Riffen geschützte Bucht von Port Aneityum (Anatom), der südlichsten Vanuatu-Insel, welche seit einigen Jahren – sehr zur Freude der Segler – zum Einklarierungshafen ernannt worden ist. Anatom bietet nicht nur weit ruhigere Ankerplätze als Tanna und Erromanga, die wunderschönen Riffe, die unbewohnte Insel Inyeug mit den begehrten Sandstränden lassen regelmäßig Kreuzfahrer in die Bucht kommen und die Beamten bemühen sich redlich, den “Behördenkram“ so kurz und schmerzlos als möglich zu erledigen. So kommen die Behördenvertreter zu uns aufs Schiff, helfen uns beim Ausfüllen der Formulare und verzichten auf jede Art von Durchsuchung.
Wir haben noch einen ganz speziellen Wunsch an den Zoll – eigentlich ist es nur ein Versuch – aber siehe da, hier scheint alles möglich. Auf unsere Frage, ob wir gleich wieder auszuklarieren können, weil wir nur „einige Tage“ auf der Nachbarinsel Tanna bleiben, dort den Vulkan besuchen und gleich weiter nach Neukaledonien wollen – ohne bis in die Hauptstadt Port Vila zu fahren, ernten wir Verständnis. Ausklarieren in Tanna ist nur in Lenakel an der W-Seite möglich, welches von unserem geplanten Ankerplatz in Port Resolution nur nach 4-stündiger Fahrt mit einem 4WD erreichbar ist. Alles kein Problem für unseren Zöllner – er stellt uns auch gleich die Ausklarierung nach Noumea aus, 6 Tage vordatiert, und zusätzlich dazu bekommen wir einen Brief an den Zöllner in Port Resolution – falls wir dort einen solchen treffen sollten – was natürlich nicht der Fall war.
Unverständlicher Weise verzichtet unser netter Zöllner bei diesem Spezialservice auch noch auf die sonst übliche Ausklarierungsgebühr von 7.000 Vatus (ca 63 €). Um die Gebühr für Immigration und Quarantäne kommen wir natürlich nicht herum – diese 7.800 Vatus sind am nächsten Banktag im Büro an Land zu bezahlen – die Bank hat nur drei Mal die Woche geöffnet. Vatus, die Währung Vanuatus, werden international nicht gehandelt und waren in Fidschi nicht zu bekommen. Kein Problem, die Banken in Vanuatu wechseln alle gängigen Währungen (AUS, NZL, US, Euro) – können aber weder aus Kreditkarte noch Bankomatkarte Geld beziehen – das sollte man bei der Einreise schon bedenken!
Nach den Behördenvertretern erhalten wir bald wieder Besuch an Bord. Collin besucht mit seinem großen Alu-Boot mit 40 PS-Motor alle sechs vor Anker liegenden Yachten, um sie zu einem kleinen Fest einzuladen. Die Locals aus dem Dorf möchten uns gerne zeigen, wie ihre Großeltern gelebt haben, wie sie getanzt, gefeiert und sich gekleidet und wie sie im Erdofen ihre Speisen zubereitet haben.
Die „Feste“ werden mindestens einmal jede Woche organisiert, natürlich nicht nur um den Fremden etwas zu zeigen, sondern auch um Mittel für die Schule zu sammeln und Tauschgeschäfte – meist Obst gegen Ware – in Gang zu bringen. Geschäfte gibt es auf der ganzen Insel keines – außer der Bank – Geld wird also nur für die Behörden und zum Spenden benötigt.
Zwar haben wir auf unserer Reise schon einige recht interessante Veranstaltungen erlebt, diese ist aber sicher die natürlichste – von den Dorfbewohnern vorgetragen ohne „professionellen“ Show-Charakter. Wir können uns gut vorstellen, so hat man hier vor gar nicht so langer Zeit wirklich gelebt – ohne Flugplatz, Außenborder und Mobiltelefonen, die sich auch in Vanuatus kleinsten Dörfern durchgesetzt haben – selbst dort, wo gar keine Elektrizität verfügbar ist.
Wieder einmal drängt die Zeit, das Wetterfenster für die Weiterfahrt nach Neukaledonien ist nur noch einige Tage offen, und so legen wir am Tag nach dem Fest in aller Früh nach Port Resolution auf der Nachbarinsel Tanna ab. Auch Sonja und David auf der MOLIMENTUM, welche wir auf den Galapagos – Inseln im Vorjahr erstmals getroffen haben – kommen mit uns.
Die beiden sind nicht nur auch aus Wien, sondern sogar aus dem gleichen Bezirk, aus Floridsdorf! Bei gutem Passat sind die 50 sm in 7 Stunden abgespult und um 14 Uhr – daher bei guter Sicht – steuern wir in die nicht markierte und auf den Karten falsch eingezeichnete Riffeinfahrt, um auf ungewohnten 3-4 m zu ankern – sonst ist es bei Riffen meist weit tiefer.
In Port Resolution erwartet uns ein ganz anderes Vanuatu – eher so wie die Locals auf Anatom das Leben ihrer Großeltern dargestellt haben. Das Dorf ist von See unsichtbar im Wald versteckt, kein Anlegesteg, auch keine Motorboote vor Anker – keine Menschenseele ist zu sehen. Am schmalen Strand liegen einige Einbaum-Auslegerkanus, mit Fahrradschlössern versperrt – angeblich gegen den Missbrauch durch die Kinder.
Vorsichtig fahre ich allein mit dem Dinghi über das seichte Riff – es scheint keine Dinghi-Passage zu geben – mache unser Schlaucherl an einem Mangrovenbaum fest und spaziere durch den Urwald die Straße entlang, dorthin wo ich das Dorf vermute. Es ist 15 Uhr und die Vulkanbesuche auf dem Mount Yasur starten üblicherweise um 16 Uhr – vielleicht finde ich heute noch ein Taxi für uns vier. Der erste Blick auf das Dorf ist allerdings ein Schock – Dach und Wände der Hütten bestehen ausschließlich aus Stroh, geflochten wie die Bastmatten, die innen am Boden liegen.
Vor jeder Hütte ein Feuer, welches die vielen Fliegen vertreiben soll und zwischen den Hütten nur Sand und Staub, in dem sich die Kinder, teilweise mit ihren Eltern, mit Glaskugeln spielen. Kaum jemand nimmt Notiz von mir – mein Grüßen wird kurz erwidert und sofort zur „Tagesordnung“ übergegangen. Ich frage nach „Stainly“, einem Einheimischer, der schon viele Yachties auf den Vulkan geführt hat, und treffe auf seine Schwester Myriam, die mich freundlich begrüßt und mir sofort einen Bund Bananen und zwei Papayas in die Hand drückt – sozusagen als „Willkommensgeschenk“.
Ihr Bruder sei derzeit unterwegs, werde aber um 16 Uhr mit dem Auto hier sein und uns gerne auf den Vulkan führen – wir sollen nur herkommen und auf ihn warten. Ich weiß von mehreren „Vorfahrern“, dass Stainly keinesfalls selbst ein Auto besitzt – aber er spricht Englisch und nennt ein Handy sein eigen – damit ist er prädestiniert, Taxifahrten für Touristen zu organisieren.
Pünktlich um 16 Uhr sind wir gemeinsam mit Sonja und David wieder an Land, wo wir von Myriam in Empfang genommen werden. Sie führt uns durch die beachtlich große Siedlung (ca. 500 Einwohner), zeigt uns stolz die neuen Brunnen, welche vom Staat errichtet worden sind, führt uns auf die andere Seite der Insel „zum Strand“ und präsentiert uns ein „Cafe“ und ein „Restaurant“, Strohhütten mit einem Tisch und zwei Bänken, bei denen wir für den nächsten Tag Lunch oder Dinner bestellen können.
Ein Abenteuer, auf das wir lieber verzichten. Fast bis zum Einbruch der Dunkelheit führt uns Myriam durch das ganze Dorf, welches zurzeit ganz im Eindruck der Ende Oktober statt findenden Regionalwahlen steht. Politiker kommen mit ihren Pickups aus der Stadt, stellen Aggregat, Verstärker und Lautsprecher in die Wiese und fesseln mit lauter Stimme das halbe Dorf für Stunden. Leider in einer der 130 verschiedenen Sprachen, die in Vanuatu angeblich gesprochen werden – für unsere Ohren jedenfalls unverständlich. Anschließend verabschieden wir uns von Myriam – ihr Bruder ist leider heute nicht gekommen – aber morgen, da klappt es dann ganz gewiss.
Sicherheitshalber gehen wir schon vormittags ins Dorf und lernen Stainly kennen – er verfolgt ganz interessiert der Rede eines weiteren Lokalpolitikers. Nach längerer Diskussion bemüht er dann sein Handy – um zu erfahren, dass heute „sein Auto“, also jenes mit dem er üblicherweise mitfährt, bereits voll sei und ein anderes frühestens um 1700 Uhr starten könne.
Heute Samstag müsse der Fahrer den Nachmittag in der Kirche verbringen – 1700 Uhr sei der einzig mögliche Kompromiss. Alle Versuche, die Fahrt schon früher anzutreten, bleiben erfolglos, genauso wie der Versuch in der Nachbarortschaft ein Auto aufzutreiben. Daher so sind wir sehr froh, als pünktlich um 5 Uhr ein Pickup auftaucht, der offenbar nicht in Sachen Wahlveranstaltung unterwegs ist.
Nach abenteuerlicher einstündiger Fahrt mit dem 4WD über die einzige Inselstraße – glücklicher Weise hat es seit Tagen nicht geregnet – und nach Bezahlung der Eintrittsgebühr in den „Nationalpark Mount Yasur“ (3.350 Vatus pP) kommen wir bei Einbruch der Dunkelheit an den Parkplatz – und sind sehr überrascht, dort schon 10 weitere Pickups mit Touristen vorzufinden.
Das letzte Tageslicht nutzend, huschen wir rasch zum Kraterrand, um festzustellen, dass das Feuerwerk doch glatt ohne uns begonnen hat. Donner und Knall, wie explodierende Feuerwerkskörper, Schwefeldämpfe und unter uns durch die Luft fliegende Gesteinsbrocken geben in der Dunkelheit ein sehr imposantes Bild ab. Jetzt ist auch klar, warum wir so spät hier heraufgekommen sind. Glühende Lavabrocken sind in der Nacht weit spektakulärer als am Tag – schwarzes Lavagestein vor schwarzer Lava-Erde gibt keine guten Kontraste.
Nach jeder Explosion geht ein Raunen durch die Menge, fast ist man versucht zu applaudieren, wie nach einem gelungenen Kunststück. Bis hinauf zum Kraterrand, wo wir Zuseher stehen, verirrt sich kein Stein – den kräftigen Wind im Rücken und die Lavamassen tief unter uns, fühlen wir uns ganz und gar nicht unsicher. Vielmehr genießen wir das spektakuläre Schauspiel fast eine Stunde lang, bis der Regen uns frösteln und die glühende Lava im Nebel verschwinden lässt. Bei Regen und Dunkelheit wirkt die Heimfahrt noch um einiges unwirklicher als die Hinfahrt, wir dürfen uns glücklich schätzen, alle im Wageninneren Platz zu finden.
Die feuchte Ladefläche stellt unser großzügiger Fahrer den Fußgängern zur Verfügung, die bereit sind, für die erwähnten Wahlveranstaltungen in Port Resolution stundenlange Fußmärsche teilweise im Regen auf sich zu nehmen.
Wir haben uns für den Verlauf des Abends besseres Wetter erhofft. Das angesprochene Wetterfenster für eine Weiterfahrt beginnt sich bald zu schließen, daher legen wir noch am Abend nach dem Vulkanbesuch, von Port Resolution auf Tanna in Richtung Neukaledonien ab.
Wenn alles nach Plan läuft, sollten wir am übernächsten Morgen im Havanna-Pass, der Riffeinfahrt im SO des größten aller Inselriffe, sein. Noch ist die Windprognose für die Weiterfahrt günstig, allerdings müssen wir uns erst von Tanna freikreuzen – und das bei 20-25 kn und Regen. Für die ersten 5,5 sm gegen Wind und Welle benötigen wir ganze zwei Stunden – 30° am Wind im 2.Reff mit einer Maschine – wirklich grauslich – aber dann können wir abfallen und Vorsegel setzen – die Welt ist wieder heil – und Vanuatu für uns Geschichte.